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Was kommt nach Angela?
„Wahlen allein machen noch keine Demokratie“ (Barack Obama)
„After Angela“. Kurz nach der Bundestagswahl ist allerorten von einer Erneuerung des Landes die Rede. Diese ist dringend geboten. Die renommierte britische Wirtschaftszeitung „The Economist“ zeigt sich sichtlich irritiert von der Selbstzufriedenheit, die Deutschland erfasst hat. Die Deutschen würden sich lieber mit sich selbst beschäftigen als die globalen Bedrohungen für ihren Wohlstand wahrzunehmen. Das Ausland macht sich momentan offenbar mehr Sorgen um Deutschland als das Land selbst.
In dem umfangreichen Dossier mit dem Titel „After Angela“ sehen die Experten für Deutschland nach einer goldenen Ära den drohenden ökonomischen Abstieg. Beinahe alle Faktoren, die Deutschlands Reichtum und Wohlstand in den vergangenen Jahren befördert haben, seien unter Druck. In Zeiten von De-Globalisierung und zunehmenden Handelshemmnissen bekommen die deutschen Konzerne erheblichen Gegenwind.
In der wichtigen Autoindustrie gefährdet die Elektro-Disruption viele Jobs. Der gravierende Fachkräftemangel wird durch die bestehende demografische Krise beschleunigt. Die Arbeitsbevölkerung schrumpft in den kommenden zehn Jahren um über vier Millionen Menschen – mit verheerenden Folgen für das Rentensystem. Das britische Wirtschaftsmagazin ist berühmt für seine erstaunliche Trefferquote seiner Deutschland-Analysen. Bleibt zu hoffen, dass man dieses Mal zu skeptisch ist. Die ökonomische Zukunft Deutschlands stellt für die kommende Regierung, ganz gleich wie sie sich zusammensetzen mag, eine enorme Herausforderung dar.
Augen auf bei Nachhaltigkeit. Welches Farbenspiel sich am Ende auch durchsetzen wird: Die Grünen werden eine wichtige Rolle spielen. Die sich dann anbahnende Klimakoalition ist in den Depots der meisten deutschen Anleger schon längst Realität. Nachhaltige Geldanlagen „koalieren“ dort bereits mit klassischen Anlageformen. Rechnerisch hat jeder deutsche Anleger aktuell rund 4.500 Euro in nachhaltigen Anlagen investiert. Das macht zusammen mehr als über 250 Milliarden Euro, die Investmenthäuser in Deutschland für Privatanleger in nachhaltigen Fonds managen.

Der Boom wird voraussichtlich anhalten. Nachhaltigkeit und ESG-konforme Investments liegen im Trend. Weltweit ziehen institutionelle Investoren massenhaft Kapital aus Unternehmen ab, die in Sachen ökologische, soziale oder ethische Standards (kurz ESG) einen fragwürdigen Ruf haben. Die Aktien der großen Öl-Giganten wie Shell, Total und Exxon befanden sich im Ausverkauf. Stattdessen fließen Milliarden in Investments, die ESG genügen sollen. Weltweit haben ESG-Investments bereits die Schwelle von 2.000 Milliarden US-Dollar überschritten.
Wenn sich das gute Gefühl von Anlegern mit Sicherheit und Rendite verbinden lässt, sollte das für Anleger eine erstrebenswerte Anlage darstellen. Dies untermauert eine aktuelle Studie der AXA-Investment Managers. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass ein konsequent angewandter ESG-Ansatz das Potenzial hat, langfristig Überrenditen zu erzielen.
Es gibt allerdings ein Problem: Bislang ist völlig unklar, was nachhaltiges Wirtschaften eigentlich bedeutet. Für einige Investoren ist Atomkraft eine saubere Energiequelle, andere sehen das Thema wesentlich kritischer. Weil verbindliche ESG-Regeln fehlen, definieren Unternehmen diese kurzerhand selbst. Das birgt Probleme, wie der Fall DWS zeigt. Die frühere Nachhaltigkeitschefin der Deutschen-Bank-Tochter Desiree Fixler wirft ihrem alten Arbeitgeber „Greenwashing“ vor. Die DWS soll ihr ausgeprägtes Nachhaltigkeitsengagement systematisch geschönt zu haben.
Der ehemalige BlackRock-Nachhaltigkeitschef Tariq Fancy hält ESG-Anlageprodukte sogar für ein „gefährliches Placebo“ und rät Investoren von ESG-Fonds ab. Nachhaltige Investments würden Anlegern ein Gefühl geben, etwas Gutes zu tun und dabei gleichzeitig attraktive Renditen verdienen zu können. Das verschleiere jedoch nur die unbequeme Wahrheit, dass mehr erreicht werden muss. Er glaubt, dass in Zukunft weitere „Greenwashing“-Fälle Schlagzeilen machen werden. Stattdessen fordert er die G20-Staaten auf, politisch verlässliche und klare Vorgaben zur Bekämpfung des Klimawandels voranzutreiben.
Nachhaltigkeit in der Finanzberatung. Die EU-Taxonomie-Verordnung verlangt seit März 2021 von Finanzdienstleistern einen Nachweis, wie nachhaltig ihre Angebote sind. Detaillierte Standards lassen jedoch auch hier weiter auf sich warten. Zudem müssen Vermögensverwalter und Finanzberater ab dem nächsten Jahr die Wünsche ihrer Kunden hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten abfragen. Bis dahin sollten transparente und nachvollziehbare Regeln stehen. Für weitere Informationen stehen wir Ihnen bereits jetzt gerne zur Verfügung.
Ende des Zinstiefs. Die Inflation steigt. Die Zinsen (noch) nicht. Zwar geht die Europäische Zentralbank EZB angesichts der gut laufenden Konjunktur bei ihren milliardenschweren Anleihenkäufen leicht vom Gas – zuletzt flossen von der EZB monatlich immerhin 80 Milliarden Euro in Wertpapiere. Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist derzeit aber nicht in Sicht. Der Leitzins bleibt auf Rekordtief.
Unverändert müssen die Geschäftsbanken damit für geparktes Geld bei der EZB 0,5 % Zinsen zahlen. Über Negativzinsen und Verwahrentgelte versuchen die Banken das Geld von ihren Kunden wieder hereinzuholen. Das Vergleichsportal Verifox listet derzeit 392 Banken auf, die von Privatkunden teilweise bereits bei Beträgen ab 1.000 Euro Negativzins verlangen.
Allerdings mit zunehmend weniger Erfolg. Viele Anleger sehen es nicht mehr ein, für ihre Einlagen Zinsen zu bezahlen. Das ist klug. Denn Negativzins und Inflation fressen das Vermögen auf Spar- und Tagesgeldkonten immer schneller auf. Zuletzt stiegen die Verbrauchspreise in Deutschland schon um 4,1 %. Das war der höchste Stand seit 28 Jahren! Bundesbank Jens Weidmann hält zum Jahresende sogar 5 % für möglich.
Aus Sicht der EZB ist dieser Anstieg nur vorübergehend und auf Störfaktoren infolge der Corona-Krise zurückzuführen. Die deflationären Tendenzen im Lockdown und die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer hätten einen Basiseffekt ausgelöst. Amerikas Notenbank ist bei der Geldmengen-Rhetorik schon weiter. Hohe Inflationsraten und gute Arbeitsmarktzahlen setzen die FED unter Druck. Volkswirte erwarten die erste Zinserhöhung seit mehr als drei Jahren im kommenden Jahr.
Sollten sich aber die Erwartungen, dass sich die Inflationsraten 2022 wieder reduzieren, als Trugschluss erweisen, dürfte es in den kommenden Monaten erhebliche Schwankungen an den Kapitalmärkten geben. Das sollten Anleger im Anlagejahr 2022 berücksichtigen. Tendenziell sollten die Aktienkurse jedoch weiter steigen. Bei erhöhten Inflationsraten, etwas nachlassenden Konjunkturimpulsen und einem nur zögerlichen Umschwenken der Zentralbanken bleibt der globale Anlagenotstand bestehen.
Anleihen werden weiterhin keine Alternative sein. Gemessen an einem der weltweit wichtigsten Rentenindizes (dem ICE BofAML Global Fixed Income Markets Index) rentieren derzeit 30 % der Papiere auf den Anleihemärkten im negativen Bereich. Weitere 40 % liegen zwischen 0 und 1 %. Für risikoaverse Investoren wie Stiftungen und viele Privatanleger rückt der Erhalt der Kaufkraft nach Steuern und Inflation abermals in weite Ferne.
FAZIT: Anleger, die in der aufkeimenden Inflation mit ihrer Geldanlage positive reale Renditen erwirtschaften wollen, kommen weiterhin an Sachwerten nicht vorbei. Im Portfolio sollten sich vor allem globale Qualitätsaktien aus USA, Europa und Asien befinden. Anleihen, Festgelder, Sparbücher bleiben für den Werterhalt ungeeignet. Allerdings gilt es, die Entwicklung der Inflationszahlen in den kommenden Monaten aufmerksam zu beobachten. Schließlich könnte sich das Ende des jahrzehntelangen Zinsverfalls anbahnen.