Spotlight

Vollbremsung

Die Welt erlebt derzeit eine menschliche Tragödie. Tausende Menschen starben bereits an der Lungenkrankheit Covid-19. Täglich wird über rasant ansteigende Zahlen von Infizierten berichtet. In vielen Ländern steht das öffentliche Leben in weiten Teilen still. Firmen haben ihre Produktion eingestellt, Geschäfte haben geschlossen, es gibt Ausgangssperren und Kontaktverbote.

Auch die Weltwirtschaft ist erschüttert. Die Kapitalmärkte erlebten ihr schwärzestes Quartal seit Jahrzehnten. Aktienmärkte erlitten dramatische Kursverluste und verloren in kürzester Zeit bis zu 40 % ihres Wertes. Allein die Marktkapitalisierung der börsennotierten amerikanischen Unternehmen schrumpfte seit Mitte Februar um ungefähr 6 Billionen Dollar. Wie das alles enden wird, ist völlig offen.

Weltweit stemmen sich Regierungen und Notenbanken gegen die weltweite Rezession. Der IWF berichtet von 80 Ländern, die derzeit nach Notkrediten fragen. Notenbanken senkten die Zinsen und setzen umfangreiche Anleihen-Kaufprogramme auf, um die Konjunktur mit noch mehr frischem Geld zu versorgen.

Staaten legen teure Rettungsprogramme auf, um der Wirtschaft und den betroffenen Bürgern zu helfen. Auch der Deutsche Bundestag hat Geschichte geschrieben. Noch nie wurde in so kurzer Zeit so viel Geld zur Verfügung gestellt. In Summe hat das finanzielle Rettungspaket ein Volumen von mehr als 1.300 Milliarden Euro! Das entspricht rund 40 % der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung.

Um Infektionsketten zu unterbrechen, werden in Deutschland die Ausgangsbeschränkungen und die Kontaktverbote noch mindestens bis 20. April gelten. Dennoch läuft die Diskussion um eine Exit-Strategie, um die Wirtschaft aus dem derzeitigen Koma zu holen. Nicht nur für jeden Politiker, für uns alle ist es eine schwierige Aufgabe, zwischen der christlichen Ethik und einer funktionierenden Wirtschaft zu argumentieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Menschliche Tragödien wird es wohl leider in beiden Bereichen geben.

Ist die Rezession unausweichlich?

Die Auswirkungen dieser Krise werden wir noch längere Zeit mit uns herumschleppen. Der Chef des renommierten ifo-Instituts, Clemens Fuest, rechnet für mindestens zwei Quartale mit einer tiefen Rezession in Deutschland. Je nachdem, wie lange die Krise andauert, könne die Wirtschaftsleistung (BIP) auf Jahressicht zwischen 7 und 20 % fallen.

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, findet das übertrieben und sieht eher ein konjunkturelles V-Szenario. Er erwartet ein tiefes V, bei dem die Wirtschaftsleistung durch den Shutdown stark einbricht, dann aber relativ bald eine starke Wiederbelebung erfährt. „Wenn es uns gelingt, ab dem dritten Quartal wieder mit kräftiger Erholung voranzugehen“, dann sei man nicht so pessimistisch wie das ifo-Institut.

Der Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Folkerts-Landau lobt Deutschlands bisherige Haushaltspolitik und sieht für 2020 ein realistisches Minus des Bruttoinlandsproduktes von 7 bis 8 %. Für 2021 glaubt er wieder an ein spürbares Wirtschaftswachstum. Seiner Meinung nach sind die Aktienbörsen der Talsohle nahe.

Kapitalmärkte per 31.03.2020

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Anleihen: Sicherheit gefragt!

Die weltweiten Rentenmärkte erlebten in den vergangenen Wochen ein Desaster. Alles außer deutschen und amerikanischen Staatsanleihen wurde mit kräftigen Kursverlusten abgestraft. Nachdem schlagartig die Bonität vieler Anleihe-Schuldner infrage gestellt wurde, erwartete der Markt für das höhere Risiko eine wesentlich höhere Verzinsung.

Global sagten Notenbanken umfangreiche Unterstützung in Form von substanziellen Anleihekaufprogrammen zu. Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte Käufe von bis zu 750 Milliarden Euro an. Die US-Notenbank FED senkte ihren Zins auf 0 % und versprach den Ankauf von US-Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe.

Somit werden historisch hohe Finanzmittel in den Wirtschaftskreislauf gepumpt. Diese haben stabilisierende, später auch potenziell inflationäre Auswirkungen. Bis dahin sollte international gelten: Die Zinsen bleiben nahe der 0-Prozent-Marke.

Immobilien: Korrektur voraus?

Seit 2008 läuft der längste Aufschwung bei deutschen Wohnimmobilien. Eigentumswohnungen verdoppelten in dieser Zeit ihren Preis. Wohnmieten stiegen ins Unbezahlbare und wurden zum Politikum – bis hin zur Diskussion über die Enteignung von Wohnungsgesellschaften.

Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre führte auch bei Gewerbe- und Büroflächen zu einer stetig steigenden Nachfrage. Jetzt verringern drohende Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit den finanziellen Spielraum vieler Mieter und Käufer. Das ifo-Institut sieht für gewisse Zeit in Deutschland eine sehr deutlich ansteigende Arbeitslosigkeit. In den USA verzwanzigfachten sich zuletzt die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe.

Eine länger andauernde globale Krise hätte wohl deutliche Auswirkungen auf die nationalen und internationalen Immobilienpreise, sowohl bei Wohnungen als auch bei Gewerbeobjekten.

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Rohstoffe: Öl im Ausverkauf

Neben den Verwerfungen an den Kapitalmärkten kam der Streit zwischen Saudi-Arabien und Russland während der OPEC-Verhandlungen zur Unzeit. Saudi-Arabien kündigte vielmehr eine massive Ausweitung der Produktion an. Der Ölpreis kollabierte an einem Tag um über 30 % und befindet sich bei aktuell 22,50 US-Dollar je Barrel im Ausverkauf. Das Fass Brent-Öl verlor somit 2020 mehr als 65 % an Wert.

Gold wahrte seinen guten Ruf als sichere Anlage bei Verwerfungen am Kapitalmarkt. Die Verkaufspanik Mitte März kostete zwar auch die Goldunze mehr als 12 % ihres Wertes, mittlerweile konnte sie jedoch fast zu den alten Ständen aufschließen. Bei den jetzt aufkeimenden Inflationsthemen sollte Gold weiterhin eine stabilisierende Wirkung im Portfolio haben.

Aktien: „In der Nacht beginnt der neue Tag“

Die derzeitigen Schwankungen an den Aktienmärkten sind zumeist Ausdruck einer Unsicherheit aller Kapitalmarktteilnehmer. Die jetzige Situation mit einem globalen Virus ist neu. Vergleichbar ist allenfalls die Spanische Grippe 1918–1920. Damals fiel der Dow-Jones-Index um 14,3 %.

Wir gehen davon aus, dass ein gewisser Teil der einbrechenden Wirtschaft mit steigenden Arbeitslosenzahlen und zahlreichen Firmenpleiten bereits in den aktuellen Kursen eingepreist ist. Dennoch bleiben Fragen: Wie lange wird es dauern, bis die Wirtschaft sich wieder stabilisiert? Was passiert mit der ausufernden Geldmenge und der zu erwartenden globalen Explosion der Verschuldung? Wie schlagen sich weltweit Hunderttausende Tote in der Psyche der Konsumenten nieder? Gibt es soziale Verwerfungen bei stark zunehmenden Arbeitslosenzahlen?

FAZIT

Erfahrungsgemäß fand bei früheren Krisen der DAX in der Nähe seines Buchwertes einen gewissen Boden. Dieser Buchwert liegt derzeit bei rund 8.350 DAX-Punkten. In diesem Bereich rechnen wir mit einer Stabilisierung. Langfristinvestoren sollten schon jetzt starten, mit zeitlich versetzten Käufen Aktien defensiver Branchen wie Ernährung, Medizin und Pharma, Haushalt und Versorgung sowie Technologie nachzukaufen.

Nach der Krise rechnen wir mit einer sehr dynamischen wirtschaftlichen Erholung. Ausreichend vorhandenes Kapital und eine dann wohl hoffentlich einsetzende Zuversicht der Menschen bieten beste Voraussetzungen für einen stabilen Wirtschaftsaufschwung.