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Krisenzeit und Inflationsrekorde
Ein unfassbarer Preishammer! So kommentierten Volkswirte die zuletzt veröffentlichten Erzeugerpreise in Deutschland für den Monat August. Die enorm gestiegenen Öl-, Gas- und Stromkosten sorgten für ein sattes Plus von 45,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Dies war der höchste Anstieg seit 1949! Die Produzentenpreise gelten als Indikator für die Entwicklung der allgemeinen Inflation. Etwa 30 bis 40 Prozent kommen in der Regel nach etwa sechs Monaten als Preiserhöhung bei den Verbrauchern an. Damit deutet sich an, dass die Inflationsraten in der ersten Jahreshälfte 2023 unverändert hoch bleiben. Kurzfristig ist keine Besserung in Sicht, bestätigt das Münchner ifo-institut. Für das erste Quartal 2023 rechnen die ifo-Volkswirte durch die weiter steigenden Energiepreise mit einer Inflationsrate von 11 Prozent.
Mehrere Notenbanken erhöhten zuletzt erneut ihre Zinssätze. Vor allem die amerikanische FED demonstriert mit ihrer aktuellen Zinserhöhung am 20. September um 0,75 Prozentpunkte ihren starken Willen, die Inflation zu bekämpfen. Der US-Dollar profitierte davon und ließ den Euro auf ein 20-Jahrestief fallen.
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang September den Leitzins ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte erhöht hatte, kündigte sie weitere Schritte an. Die EZB ist dabei in einer schwierigen Lage. Sie kann die Energiepreise kaum beeinflussen. Diese sind hauptsächlich auf Angebotsengpässe durch den Ausfall russischer Gaslieferungen zurückzuführen. Außerdem besteht weiterhin das Risiko einer politischen Eskalation des russischen Ukraine-Angriffs mit weitreichenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen, vor allem für Europas Wirtschaft und speziell für Deutschland. Je nachdem, wie sich die Konjunktur entwickelt, gehen Experten davon aus, dass die EZB in den kommenden Monaten mindestens einen, eventuell auch bis zu vier Zinsschritte wagen wird.
Und das bei einer sehr wahrscheinlich gewordenen Rezession. Die Bundesbank sieht jedenfalls Anzeichen für einen breit angelegten und länger anhaltenden Rückgang der Wirtschaftsleistung. Der Bundesverband deutscher Industrie BDI stößt ins gleiche Horn und warnt ebenfalls vor einer schweren Rezession. Donner & Reuschel-Bank-Chefvolkswirt Carsten Mumm sieht vor allem Deutschland vor schwierigen Zeiten. Inflation, hohe Zinsen und teure Energie setzen das Geschäftsmodell Deutschland zunehmend unter Druck.
Allerdings: Die Anzeichen für eine Konjunktureintrübung sind so deutlich, dass eine demnächst eintretende Rezession wohl niemand mehr überraschen wird. Viele Marktteilnehmer haben sich schon entsprechend positioniert. Der CNN-„Angst & Gier Index“ („Fear and Gread“ Index), der die Emotionen der Börsenteilnehmer misst, steht mit einem Stand von 21 auf „kaufen“.

Der Pessimismus erinnert an die Zeit der Lehman-Krise 2009. Bei einer Umfrage unter institutionellen Anlegern in den USA ergab sich, dass amerikanische Großanleger aktuell bei ihren Aktienengagements im Vergleich zur Lehman-Krise das dreifache Volumen abgesichert haben. Sollte sich die Einschätzung über die zukünftige Wirtschafts- und Börsenentwicklung aufhellen, werden viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt und müssen sich mit Aktien eindecken.
Dieses Szenario ist nicht so unwahrscheinlich. Martin Daum, Chef des weltgrößten LKW-Herstellers Daimler Trucks, brachte es zuletzt auf den Punkt: „Wie bei Asterix und Obelix ist es derzeit populär zu sagen: Der Himmel stürzt ein und das Ende der Welt ist gekommen“. Er sieht aktuell zwar einen fragilen Markt, jedoch keine Anzeichen einer Rezession. Die Auftragsbücher sind voll. Sein Unternehmen hätte mehr verkaufen können, als man verkauft hat.
An dieser Stelle sei einer der erfolgreichsten Anleger der Geschichte zitiert: Warren Buffett empfiehlt seit Jahrzehnten: „Ein Klima der Angst ist dein Freund beim Investieren.“ Es ist jedenfalls eine spannende Mischung, die voraussichtlich in den kommenden Monaten für viel Gesprächsstoff und zu überdurchschnittlichen Schwankungen an den Zins- und Aktienmärkten führen dürfte. Für einen heißen Winter ist ein kühler Kopf angesagt.

Strategie für Anleger:
Aktien: Anleger brauchen einen langfristigen Anlagehorizont und gute Nerven, um eventuell entstehende Schwankungen auszusitzen. Das fällt leichter, wenn man in zukunftsträchtige Unternehmen investiert. Diese verfügen über hervorragende Produkte, eine starke Wettbewerbsposition und eine ausgeprägte Profitabilität. Bei den anziehenden Rohstoffpreisen ist es vorteilhaft, auf Unternehmen mit Alleinstellungsmerkmal und Preissetzungsmacht zu setzen. Sie sind meist in der Lage, gestiegene Preise an ihre Kunden weiterzugeben. Investoren, die global gestreut auf solche Qualitätsaktien setzen, werden gut durch die Inflation kommen.
Zinspapiere: Die langjährige Niedrigzinsphase ist definitiv Geschichte. Durch den Zinsanstieg der letzten Monate sind ausgesuchte Rentenpapiere konkurrenzfähiger geworden. Je nach Bonität des Emittenten lassen sich in verschiedenen Währungen wie USD, AUD, NOK und Euro wieder attraktivere Renditen erzielen. In Krisenzeiten gilt allerdings „safety first“. Staatsanleihen und Unternehmensanleihen in den besagten Währungen mit solider Bonität stehen für Sicherheit und Liquidität. Mit weiter steigenden Zinsen bieten sich neben kurzen Laufzeiten auch Fälligkeiten im Bereich von drei bis vier Jahren an. Eine „Zinstreppe“, bei der Anleihen über zeitlich abgestimmte Fälligkeiten gestreut werden, reduziert das Risiko drastischer Zinsänderungen. Für 2023 rechnen wir mit einer Normalisierung der Inflationsraten und wieder etwas fallende Zinsen für Anleihen.
Cash: Eine Cash-Position bietet jederzeitige Flexibilität und die Nutzung von anstehenden Anlagechancen.
Gold: Trotz einer rekordverdächtigen Inflation, Krieg, Krisen und Marktverwerfungen hat Gold als Sicherheitsposition in diesem Jahr enttäuscht. In den ersten 9 Monaten des Jahres fiel der Preis einer Unze in US-Dollar um 8 Prozent. Charttechnisch ist ein weiterer Kursverfall bis 1.500 USD/Unze nicht auszuschließen. Für den Goldpreis sind die weltweit steigenden Zinsen Gift, da Gold weder Dividenden noch Zinsen abwirft. Bei einer Eskalation der politischen Situation in Taiwan und/oder in der Ukraine sind jedoch auch Preise nahe den alten Höchstständen von 2.000 USD/Unze nicht auszuschließen. Wir halten daher unverändert an unserer Goldposition als Depotbeimischung fest.
Nachhaltigkeit: Die Titelselektion unter nachhaltigen Gesichtspunkten ist uns besonders wichtig. Daher sind wir bestrebt, keine Investments mit zweifelhaften Geschäftsmodellen oder vorwiegend schlechtem öffentlichen Ansehen in unsere Vermögensverwaltung zu integrieren. Diesem Grundsatz bleiben wir treu. Seit August sind Finanzdienstleister verpflichtet, ihre Kunden regelmäßig nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen und ihnen gegebenenfalls entsprechende Anlagemöglichkeiten anzubieten. Was in der Theorie richtig und wünschenswert erscheint, bringt derzeit noch Probleme mit sich. Es fehlen vom Gesetzgeber plausible Vorgaben. Außerdem schränkt sich das potenzielle Produktangebot für nachhaltig orientierte Anleger noch stark ein.