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Kapitalmärkte 2021: Enttäuschung oder Euphorie
Was für ein Jahr! 2020 werden wir alle so schnell nicht vergessen. Persönlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich war die Corona-Pandemie ein einschneidendes Ereignis. In der schlimmsten Pandemie seit 100 Jahren haben sich weltweit mehr als 90 Millionen Menschen mit dem Virus angesteckt. 1,9 Millionen starben bisher an oder mit der Krankheit. Gesundheitssysteme kommen an den Rand Ihrer Belastung. Die bewegenden Bilder aus Bergamo in Italien werden in Erinnerung bleiben. Hinzu kamen die anstehende US-Wahl mit ungewissem Ausgang und bis zuletzt das Damokles-Schwert des drohenden No-Deal-Brexits.
Am meisten verunsicherte Covid-19 weltweit die Menschen, die Wirtschaft und die Kapitalmärkte in einem noch nie da gewesenen Szenario. Das gilt auch für die Finanzmärkte. Dem dramatischen Absturz im Frühjahr folgte eine ebenso rasante Aufholjagd im Sommer und Herbst.
Im März ließen Kurseinbrüche den Deutschen Aktienindex DAX um 40 Prozent absacken. Der erste harte Lockdown schockte Deutschlands Bürger und führte in die Rezession. Die Arbeitslosenzahlen schossen europaweit in die Höhe. In Deutschland explodierte in kürzester Zeit die Zahl der Kurzarbeiter.
Am Anleihemarkt waren lediglich US-Staatsanleihen mit bester Bonität gefragt. Alle anderen Anleihen erlitten zum Teil erhebliche Kursverluste. Selbst das Krisenmetall Gold verlor im März über 10 Prozent an Wert.
Ebenso schnell und bemerkenswert waren die Reaktionen der Politik. Weltweit wurden umgehend umfangreiche und milliardenschwere Hilfsprogramme für besonders gebeutelte Branchen und Unternehmen aufgelegt. Alle wichtigen internationalen Notenbanken reagierten prompt und senkten die Zinsen, um einen Kollaps der Wirtschaft zu vermeiden. Außerdem starteten umfangreiche Anleihen-Kaufprogramme. Die US-Notenbank (FED) stellte schließlich klar, dass man auf längere Zeit die Zinsen niedrig halten werde.
Die Pandemie hat dabei nicht nur kurzfristige Auswirkungen. Notgedrungen erleben viele Firmen ihre digitale Revolution. Eine technische Entwicklung, die wohl noch viele Jahre gedauert hätte, wird in kürzester Zeit umgesetzt. Menschen und Firmen zeigen sich dabei ungewohnt flexibel. Homeoffice ist relativ selbstverständlich geworden und wird in den meisten Branchen langfristig erhalten bleiben.
In den letzten Wochen des vergangenen Jahres und den ersten Tagen dieses Jahres dominierte dann der Optimismus. Mehr als 150 Firmen forschen fieberhaft an einem Impfstoff gegen das Virus. Die ersten Impfstoffe sind verfügbar. Weltweit laufen die Impfprogramme an!
In den USA macht die turbulente, aber unumkehrbare Ablösung des Katastrophen-Präsidenten Trump Hoffnung auf eine berechenbare Politik. Und selbst der Horror-Brexit wurde im letzten Moment noch abgewendet.
Der Blick ins Jahr 2021
Die Aktienmärkte haben ihre Verluste weitestgehend egalisiert – und notieren auf Vor-Krisenniveau, teilweise sogar darüber. 2021 könnte dieser Optimismus anhalten. Wenn bei allen Problemen, die sich 2020 noch auftürmten, Lösungen anstehen, wird der Knoten platzen. Dann entstehen attraktive Anlagechancen. Die Hoffnung ruht vor allem darauf, dass Staaten weltweit die Pandemie zügig in den Griff bekommen und sich die Wirtschaft erholen kann.
Sicher ist das keinesfalls. Das Infektionsgeschehen kann jederzeit zu Rückschlägen führen. In den USA steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter an und in Europa kann eine dritte Welle nicht mehr ausgeschlossen werden. Der Brexit ist zwar mit einem Abkommen abgeschlossen worden, was dieses wirklich wert ist, wird sich aber erst in einigen Monaten zeigen. Der Ausstieg Schottlands und damit der Zerfall des britischen Königreiches ist noch lange nicht vom Tisch. In den USA sind die Voraussetzungen für eine gelungene Präsidentschaft mit der Übernahme des Senats durch die Demokraten zwar gegeben. Wie Joe Biden aber mit dem sicher zunehmenden Druck der linken Kräfte innerhalb der demokratischen Partei umgehen wird, bleibt abzuwarten.
Die Mischung aus einem politisch initiierten und liquiditätsgetriebenen Konjunkturaufschwung, den bleibenden Problemen aus der Covid-Pandemie und der Psychologie vieler Marktteilnehmer wird Anlegern unseres Erachtens ein spannendes Anlagejahr 2021 bescheren.
Rasche Fortschritte bei der Entwicklung eines Impfstoffs und eine „friedliche“ Amtsübergabe im Weißen Haus mit einem neuen US-Präsidenten Joe Biden verbessern die Aussichten für die Weltwirtschaft und die Unternehmensgewinne. Eine schnelle Erholung der Konjunktur erwarten wir dennoch nicht. Wenn Impfstoffe und Medikamente die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen, dürfte die Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu einer starken Erholung ansetzen.
Sobald Unternehmen und Verbraucher wieder Vertrauen fassen, wird investiert und konsumiert werden. Vor allem bei den Konsumenten könnten die während der Pandemie erlebten Einschränkungen zu einer ausgeprägten Partystimmung führen. Die Sparquote ist relativ hoch. Eine Rückkehr zur Lebensfreude steht an. Notenbanken und Politik werden die Party finanziell unterstützen. Für den erwünschten Konjunkturaufschwung wird weiterhin „koste es, was es wolle“ gelten. Davon sollten zyklische Industrieunternehmen überdurchschnittlich profitieren. Weltweit steht ausreichend Anlagekapital ohne nennenswerte Anlagealternativen zur Verfügung. Viele Großinvestoren standen lange an der Seitenauslinie und verpassten den Aufwärtstrend der vergangenen Monate. Mit zunehmend anziehender Konjunktur wächst der Anlagedruck.
Zinsen bleiben im Keller
Corona-bedingt werden die Zinsen weltweit weiter auf sehr niedrigem Niveau bleiben. Allenfalls auf mittlere Sicht könnten sich inflationäre Tendenzen ergeben. Anleger, die in Renten investieren, müssen daher wachsam bleiben. Unternehmensanleihen und Anleihen aus Emerging-Markets erscheinen uns attraktiv.
Aktien – alternativlos
Bei einer positiven Konjunkturentwicklung sollte auch 2021 kein schlechtes Aktienjahr werden. Für mittel- bis langfristig orientierte Anleger bleiben internationale Qualitätsaktien interessant, wenngleich die aktuellen Bewertungen im langfristigen Vergleich ambitioniert erscheinen. Günstige defensive Value-Aktien, zyklische Industrietitel und die Gewinner des Digitalisierungs- und Technologiebooms sollten zu den Favoriten gehören.
Mit dem Abklingen der Pandemie werden zudem andere Themen wieder in den Vordergrund treten. Dazu gehört die Verwirklichung der asiatischen Freihandelszone mit 15 Staaten und rund 2,2 Milliarden Menschen. China-A-Aktien erscheinen uns in diesem Zusammenhang eine chancenreiche Anlage. Bei globalen Emerging-Markets-Aktien rechnen wir ebenfalls mit höheren Bewertungen.
Aktieninvestoren werden jedoch auch 2021 größere Schwankungen nicht erspart bleiben. Antizyklisch agierende Anleger sollten Schwächephasen für Zukäufe nutzen. Im Zeitalter globaler Null- und Negativzinsen bieten günstig erworbene Aktien mittel- bis langfristig hervorragende Renditechancen.