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Europa – rien ne va plus?
Europa hat gewählt! In allen EU-Ländern konnten rechte Parteien und Gruppierungen deutlich zulegen. Die Kapitalmärkte reagierten verunsichert auf diesen Rechtsruck.
Insbesondere in Frankreich hat der Erfolg des populistischen Rassemblement National (RN) für ein Beben an den Finanzmärkten gesorgt. Nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron kurzfristig Neuwahlen für die Nationalversammlung ausgerufen hatte, verlor der französische Aktienindex CAC40 deutlich. Das schlug sogar auf den Euro-Stoxx50 durch, da französische Aktien mit über 40 Prozent im Index vertreten sind. Die Kurse für französische Staatsanleihen und der Euro gaben ebenfalls nach. Für zehnjährige französische Staatsanleihen verlangte der Markt zwischenzeitlich bis zu 81 Basispunkte Aufschlag gegenüber deutschen Bund-Anleihen. Das war der höchste Unterschied seit 2017.
Die Neuwahl der Nationalversammlung kann die politischen Verhältnisse in Frankreich auf den Kopf stellen. Eine Machtübernahme der Rechtsnationalen von Marine Le Pen ist nicht unwahrscheinlich. Die Partei ist bis in die bürgerliche Mitte hinein wählbar geworden. Zwar gibt sich Le Pen mittlerweile gemäßigt, ihre Vorstellungen für Frankreich bleiben jedoch deutlich rechts und nationalistisch. Hinzu kommt: Ein realistisches Wahlprogramm des RN sucht man vergeblich. Bei zahlreichen grundlegenden Wirtschaftsthemen fehlt es an Klarheit. Konkrete Maßnahmen bleiben vage und ändern sich ständig. Dabei ist vor allem die exorbitant hohe Staatsverschuldung von 3,1 Billionen Euro oder 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eine enorme Herausforderung. Experten rechnen bereits mit einem weiteren Anstieg auf 117 Prozent bis 2026. Deutschlands Verschuldung liegt aktuell bei 68 Prozent.
Investoren blicken mittlerweile nicht nur auf Frankreich skeptisch. Für sie stellt sich die Frage, wie stark der Einfluss der rechten Parteien künftig auf die Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder und Europas sein wird. Zusätzlicher Protektionismus und Abschottung gegenüber Zuwanderung dürften der Wirtschaft schaden. Noch schlimmer ist allerdings die Unsicherheit. Den meisten rechten Parteien fehlt es, wie dem RN, an nachvollziehbaren Konzepten zur Wirtschaftspolitik. Die Sorge, dass Zustimmung über exzessive Ausgabenpolitik erkauft wird und damit die Schulden weiter steigen, ist groß. Viele internationale Investoren meiden derzeit daher Europa lieber.
Wenngleich eine Börsenweisheit besagt, dass politische Börsen kurze Beine haben, dürfte eines gewiss sein: Mit dem weiteren Erstarken der rechten Parteien dürfte das Regieren in Europa nicht einfacher werden. Eine Wiederwahl von Donald Trump als neuen US-Präsidenten im November würde diesem Trend nur noch „die Krone aufsetzen“.
Die Herberger-Weisheit „Niemand weiß, wie das Spiel ausgeht“, trifft auch hier zu. Der Rechtsruck bedeutet wohl nicht das Ende der EU und des Euro. Jedoch bestätigt sich für langfristig orientierte Anleger, dass eine breit angelegte Risikostreuung in verschiedene Kontinente und Währungen das Risiko senkt. Für deutsche Anleger sind zur Beimischung Investments in anderen Währungen wie US-Dollar eine interessante Alternative.

Strafzölle: Wie Eigentore – früher oder später!
Auch ohne das Wahlergebnis ist die Weltwirtschaft fragil. Die USA werfen China vor, mit verbilligten Produkten die Märkte zu fluten. US-Präsident Joe Biden erhöhte zuletzt massiv die Einfuhrzölle auf Produkte aus China. Das trifft insbesondere E-Autos, Halbleiter und Solarzellen.
Europa plant ebenfalls Strafzölle gegen China. Zölle von fast 40 Prozent sollen ab Anfang Juli erhoben werden. Der Chef der chinesischen Planungsbehörde bekräftigt zuletzt, China werde alles tun, um die Zölle zu verhindern. Deutschland hat daran ein besonderes Interesse. Einige deutsche Autofirmen zählen mit ihren chinesischen Werken zu den größten Lieferanten von Elektroautos aus China nach Europa. Sie wären von den Zöllen direkt getroffen. Nach der China-Reise von Wirtschaftsminister Habeck kommt womöglich Bewegung in den chinesisch-europäischen Handelsstreit. Die Balance zu finden zwischen strategischer Abgrenzung, Zusammenarbeit und Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit wird ein Drahtseilakt.
Zinsen: Verlängerung möglich
Ende des vergangenen Jahres erwartete der Markt für 2024 mehrere Zinsschritte der Notenbanken. Die EZB senkte am 6. Juni den Leitzins erstmals nach fünf Jahren mit einem Trippelschritt um 0,25 Prozentpunkte. Nachdem dies mehrheitlich erwartet war, blieben stärkere Auswirkungen aus. Zumal EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Erwartung auf schnelle weitere Zinssenkungen dämpfte.
Die Zinspolitik der US-Notenbank geht dagegen in die Verlängerung. Die FED hielt die Leitzinsen unverändert auf hohem Niveau. FED-Chef Powell will zuerst Anzeichen dafür sehen, dass sich die Inflation nachhaltig in Richtung zwei Prozent bewegt.
Für ertragsorientierte Anleger ergeben sich dadurch attraktive Renditen bei Anleihen im kurzen und mittleren Laufzeitbereich in Euro und US-Dollar.
Aktienmärkte: KI bleibt der Favorit
Im ersten Halbjahr zogen die Aktienkurse bevorzugt in den USA, Japan und Europa kräftig an. Dies ist überraschend, da sich die zu Anfang des Jahres erwarteten massiven Zinssenkungen nicht bewahrheitet haben. Globale Technologiewerte gehörten wieder einmal zu den Hauptgewinnern. Die langfristigen Wachstumsaussichten rund um die Künstliche Intelligenz motivierten viele Anleger zu einem Investment und trieben die Aktienkurse rund um den Globus. Nvidia wurde zwischenzeitlich zum wertvollsten Unternehmen der Welt. Das 1993 gegründete Unternehmen gilt als Marktführer für KI-Grafikprozessoren und glänzte zuletzt mit einem Umsatzzuwachs von 262 Prozent und einem Gewinnanstieg von 629 Prozent. Mit einer Marktbewertung von 3.300 Milliarden US-Dollar konnte Nvidia Apple und Microsoft als bisher wertvollste Unternehmen ablösen.
Fazit für den Anleger:
Internationale Qualitätsaktien bleiben für langfristige Investoren attraktiv.
Für das zweite Halbjahr 2024 rechnen wir allerdings mit zunehmenden Schwankungen. Weitere Verunsicherungen der Märkte sind nicht auszuschließen. Auslöser gäbe es genug: Enttäuschungen über ausbleibende Zinssenkungen, schlechte Quartalsergebnisse bei Technologieunternehmen, die die KI-Euphorie bremsen könnten, die unverändert unruhige Geopolitik, ein drohender Handelskrieg zwischen den USA und China sowie eine Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident.
Auf den ersten Blick spricht zwar einiges für Rücksetzer, jedoch überwiegen nach Ansicht vieler Strategen am Aktienmarkt die Chancen. Bei tendenziell leicht nachgebenden Zinsen wächst die Wirtschaft weiter. Vor allem europäische Qualitätsaktien sind günstig bewertet. US-Aktien sollten im Vorfeld der Wahl im November zulegen können. Bei Anleihen mit mittlerer Laufzeit sollte man auf gute Bonität der Emittenten achten.
Gold bleibt trotz eines starken Laufs in der Vergangenheit weiterhin ein Stabilitätsfaktor im Depot. Alternative Anlageprodukte, die von ansteigender Volatilität profitieren, werden interessanter.
SPEZIAL: Vermögensübergabe – Steuern sparen mit Nießbrauchdepots
Laut Statistischem Bundesamt wurden 2022 Vermögenswerte im Wert von über 101 Milliarden Euro zur Erbschafts- und Schenkungssteuer veranlagt. Davon entfielen mehr als 40 Milliarden Euro auf Vermögenswerte, die der Schenkungssteuer unterliegen. Der Trend zu einer geordneten Übergabe von Vermögen an die nächste Generation ist seit längerer Zeit intakt.
Die Schenkung ermöglicht durch die Freibeträge eine langfristig geplante, steueroptimierte Vermögensübergabe. Hierbei spielen häufig Immobilien mit Nießbrauch eine Rolle. Der Schenkende behält die Mieteinkünfte und der vom Fiskus berechnete Wert der Immobilie verringert sich für den Beschenkten teilweise erheblich.
Eher unbekannt ist, dass sich diese Nießbrauch-Konstruktion auch auf Wertpapierdepots anwenden lässt. Dabei überträgt der Schenkende das Eigentum an einem Wertpapierdepot, bekommt aber weiterhin die zukünftigen Zinsen und Dividenden. Nießbrauchdepots sind ein sehr gutes Mittel, um Vermögen steuerbegünstigt weiterzugeben und gleichzeitig die Erträge weiter zu nutzen.
Zu Einzelheiten und Vorteilen eines Nießbrauchdepots befragen Sie gerne Ihren Vermögensmanager.