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Der DAX ist in Rekordlaune

„Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden.“ Das wusste schon der US-amerikanische Ausnahmeschwimmer Mark Spitz. Vor über 50 Jahren deklassierte er bei den Olympischen Spielen in München seine Konkurrenten mit sieben Goldmedaillen. In allen Disziplinen erzielte er jeweils einen Weltrekord.

Der Satz passt nicht nur zum Sportjahr 2024 mit der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und den Olympischen Spielen in Paris. Er passt auch auf den deutschen Leitaktienindex DAX.

Für viele Analysten sehr überraschend zeigt der DAX in den letzten Monaten eine Höchstleistung nach der anderen. Vor Ostern waren es allein in diesem Jahr schon 25 neue Rekordmarken. Nach dem überraschend starken Anlagejahr 2023 schloss das 1. Quartal 2024 mit einem Plus von 10,47 Prozent bei einem Stand von 18.504 Punkten.

Überraschend sind die Dauerrekorde, weil die wirtschaftliche Stimmung eigentlich auf Abschwung und Stagnation gepolt ist. Im Rahmen der Frühjahrsprognose stellten die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute der heimischen Wirtschaft kein gutes Zeugnis aus. Für das laufende Jahr kürzten sie das erwartete Wirtschaftswachstum drastisch auf 0,1 Prozent. Im Herbst 2023 waren die Institute noch von einem Plus von 1,3 Prozent ausgegangen.

Während also die deutsche Wirtschaft vor sich hindümpelt und die Warnungen vor einem Niedergang allgegenwärtig sind, sind Anleger in Jubelstimmung. Wie passt das zusammen? Sehr gut. Denn das Auseinanderlaufen von Aktienkursen und Konjunktur ist nur scheinbar ein Widerspruch.

„Made in Germany“ rettet die Unternehmen

Historisch gesehen sind steigende Aktienkurse bei beginnenden Rezessionen keine Seltenheit gewesen. Zudem ist eine bekannte Weisheit, dass die Börse nicht die gegenwärtige Situation, sondern die Erwartungen der Investoren widerspiegelt. Schon Warren Buffett wusste „Der Investor von heute profitiert nicht vom Wachstum von gestern“.
Hier steht Deutschland nicht so schlecht da, wie es im Moment scheint.

Die DAX-Unternehmen haben zwar ihren Sitz in Deutschland, ihre Geschäfte machen sie jedoch in der gesamten Welt. Bei den DAX40-Unternehmen beträgt der Auslandsanteil am Umsatz mittlerweile fast 80 Prozent. Während Deutschland dümpelt, bietet die weltweit robuste Konjunktur trotz der geopolitisch schwierigen Lage deutschen Konzernen im Ausland hervorragende Absatz- und Wachstumsmöglichkeiten.

Vor allem treiben die langfristigen Wachstumsaussichten der Künstlichen Intelligenz (KI) die Aktienkurse rund um den Globus. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass eine neue Stufe der Digitalisierung die Produktivität der Unternehmen wesentlich erhöhen wird.
Vor allem aber treibt die Hoffnung auf zukünftig fallende Zinsen die Aktienkurse. Wenngleich sich die Erwartungen, dass die Notenbanken auf die drohende Rezession mit schnellen Zinsschritten reagieren, seit Jahresanfang stark reduziert haben, bleibt die Hoffnung vieler Anleger auf stärker fallende Geldmarktzinsen bestehen. Ankündigungen der US-Notenbank FED und der Europäischen Zentralbank deuten zuletzt erste Zinsschritte für den Frühsommer an.

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Übersicht Kapitalmärkte 2024:

Großes Enttäuschungspotenzial

Diese Kurstreiber haben allerdings Grenzen. Die zuletzt stark gestiegenen Aktienkurse spiegeln äußerst optimistische Erwartungen der Wirtschaftsakteure wider. Diese ruhen auf drei Säulen: eine stabile politische Lage (selbst mit einem möglichen neuen US-Präsidenten Trump), stark sinkende Zinsen und erhebliche Produktivitätsgewinne durch KI.

Erweist sich eine oder gleich mehrere Hoffnungen als trügerisch, kann dies die Stimmung an den Märkten drücken. Vor allem die überbordende Zinssenkungsfantasie birgt ein erhebliches Enttäuschungspotenzial.
Zudem fehlt dem Anstieg der Aktienmärkte meistens die sogenannte Marktbreite. Das bedeutet, dass nur eine geringe Anzahl von Aktien weltweit die Rekordjagd der Indizes tragen. In den USA waren zum Beispiel die „Magnificent Seven“, die Aktien von Apple, Amazon, Alphabet (Google), Nvidia, Meta Platforms (Facebook), Microsoft und Tesla für den rasanten Anstieg der Indizes verantwortlich. Rechnet man etwa beim S&P 500 die glorreichen 7 heraus, schrumpft die Performance im vergangenen Jahr auf fast Null zusammen.

Vor allem die Kurse einiger defensiver Branchen wie Pharmazie und Ernährung sowie kleinerer und mittelgroßer Unternehmen führen ein Schattendasein. Trotz bester Zahlen und Aussichten gab es teilweise Kursverluste oder zumindest eine unterdurchschnittliche Kursentwicklung. Verrückte Zeiten.
Abwarten lohnt sich nicht

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Abwarten zahlt sich dennoch nicht aus.

Viele Anleger stehen immer noch am „Spielfeldrand“ und warten auf einen Rücksetzer der Märkte, um einzusteigen. Sie waren bei der Aufwärtsbewegung nicht dabei und könnten noch lange außen vor bleiben. Denn die Korrektur blieb bislang aus.

Wer investiert war, freut sich nicht nur über die Rekorde bei den Kursen. Auf Aktionäre der DAX-Unternehmen kommen in der laufenden Dividendensaison Ausschüttungen in Rekordhöhe zu. In Summe zahlen die deutschen Unternehmen mehr als 50 Mrd. Euro an die Anleger aus. So viel wie nie zuvor.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Ausschüttungen der DAX-Unternehmen annähernd vervierfacht. Die Dividenden wuchsen nur kurz unterbrochen von der Finanzkrise und gedämpft durch die Coronakrise über die Jahre kontinuierlich an. Mittlerweile bieten trotz gestiegenen Kursniveaus zahlreiche Aktien Dividendenrenditen von 5 Prozent und mehr. Für viele Anleger bieten sich hier attraktive Renditen.

Aktien: Nach der starken Rallye des DAX signalisiert eine aktuell bestehende sehr niedrige Volatilität keine Zuversicht. Sie ist vielmehr Ausdruck einer ausgeprägten Sorglosigkeit vieler Anleger. Angesichts des erwähnten Potenzials für Enttäuschungen erscheint uns unverändert eine breite Streuung in diverse Anlageklassen und verschiedene Märkte angebracht.

Anleihen: Für ertragsorientierte Anleger bieten Anleihen solider Bonität mit kurzer und mittlerer Restlaufzeit derzeit attraktive Anlagemöglichkeiten. Die Renditen langlaufender Anleihen befinden sich wesentlich unter denen der kurzen Laufzeiten. Auch die zu erwartenden Zinssenkungen durch die Notenbanken sind unserer Meinung nach keine Garantie, dass die Renditen bei Anleihen mit langen Laufzeiten nachgeben.

Rohstoffe: Bei einer robusten Konjunktur sollten Rohstoffaktien in einem Portfolio mitberücksichtigt werden. Rekordnotierungen gibt es mittlerweile übrigens auch beim Goldpreis. Wir favorisieren das Edelmetall weiterhin als Stabilitätsanker im Portfolio. Angesichts der hohen Notierungen sind jedoch kurzfristige Rücksetzer auf 2.000 USD/Unze nicht auszuschließen.

Generell gilt: Wer langfristig und breit diversifiziert über verschiedene Märkte und Anlageklassen anlegt, sollte sein Portfolio so strukturiert haben, dass er schwierige Börsenphasen ohne Panikattacken übersteht. Ob sich nun eine Blase bildet oder nicht, ob bald eine Korrektur oder gar ein Crash kommt, ist dann egal. Wer sich aus guten Gründen gegen ein Markttiming entschieden hat, sollte jetzt nicht damit anfangen. Timing funktioniert erfahrungsgemäß nicht und in der jetzigen Marktphase sollten Anleger die Jagd nach neuen Rekorden lieber den Sportlerinnen und Sportlern bei Olympia überlassen.