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Banken in der Vertrauenskrise – Kapitalmärkte im Dauerstress

„Lieber Geld verlieren als Vertrauen“ (Robert Bosch)

Der tiefe Fall der Credit Suisse (CS). Der drastische Niedergang der einst sehr stolzen Schweizer Großbank lässt sich ganz einfach anhand von ein paar Zahlen veranschaulichen. Im Jahr 2007 wurde die CS an der Börse noch mit 100 Milliarden Schweizer Franken (CHF) bewertet. Mitte März 2023 war die Bank nur noch 7 Milliarden CHF wert. Dann übernahm der Erzrivale UBS die 1856 gegründete Bank mit 50.000 Mitarbeitern für gerade mal 3 Milliarden CHF. Ein Wertverlust von sagenhaften 97 Prozent in 16 Jahren.
Doch damit nicht genug. Die Schweizer Regierung musste für die Übernahme eine Liquiditätshilfe in Höhe von 100 Milliarden CHF in Form von Krediten zur Verfügung stellen. Gleichzeitig erklärte die Schweizer Regierung nachrangige Anleihen mit Eigenkapital-Charakter der Bank über 16 Milliarden CHF für wertlos. Bei diesem bisher einmaligen Vorgang wurden die CS-Aktionäre bessergestellt als die Besitzer der Anleihen.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Schließlich sollte doch nach den teuren Bankenrettungen in der Finanzkrise 2008/2009 alles besser werden. Doch ausgerechnet die Credit Suisse hat sich seit der Finanzkrise mit zahlreichen Skandalen selbst in diese Situation gebracht. Nach jahrelangem Missmanagement wandten sich in den vergangenen Monaten immer mehr Kunden ab und transferierten ihre Einlagen zu anderen Kreditinstituten. Im letzten Quartal 2022 summierten sich die Abflüsse auf geschätzt über 150 Milliarden CHF! Solch ein Vertrauensverlust schadet jeder noch so soliden Bank.

Die CS ist kein Einzelfall. Schon zuvor gab es in den USA zwei Bankenpleiten. Am 10. März schlossen die US-Behörden zunächst die Silicon Valley Bank (SVB); zwei Tage später wurde die Signature Bank geschlossen. Es waren die beiden größten Bankenpleiten in den USA seit dem Niedergang der Lehman-Bank in der Finanzkrise 2008. Mittlerweile wurde die SVB von First Citizens Bank & Trust übernommen.

Die Fehler der beiden US-Banken waren fast die gleichen: Die „goldene Bankregel“ besagt, dass kurzfristige Einlagen laufzeitenkongruent nur kurzfristig angelegt sein sollten. Diesem Grundsatz sind diese Banken anscheinend nicht nachgekommen. Man hat in langlaufende Staatsanleihen investiert und durch den extremen Zinsanstieg kam es zu horrenden Kursverlusten. Diese hätten die Banken realisieren müssen, um ihren Kunden die Einlagen vollständig zurückzahlen zu können.
Dass dieses Szenario real wurde, liegt auch an „Social Media“-Kanälen, die bei den Bankpleiten eine besondere Rolle spielten. Innerhalb kürzester Zeit wurden Pleite-Gerüchte verbreitet und führten zu dramatischen Abbuchungen verängstigter Anleger. So wurde die SVB innerhalb eines Nachmittages mit Überweisungswünschen von über 40 Milliarden US-Dollar konfrontiert.

Und die Krise zieht weitere Kreise. Die in San Francisco ansässige Regionalbank First Republic geriet im Zuge des Zusammenbruchs der SVB ebenfalls in Bedrängnis. Sie erhielt umgehend von elf US-Großbanken eine Finanzspritze von 30 Milliarden Dollar, um Kundeneinlagen auszahlen zu können. Schließlich wäre ein „Run“ auf alle Banken das weitaus größere Risiko für die gesamte Branche mit erheblichen Folgen für Wirtschaft und Finanzsystem. In dem Zusammenhang finden wir, dass die Notenbanken und Regierungen bisher einen sehr besonnenen Krisenjob gemacht haben.

Ausgestanden sind die Turbulenzen noch lange nicht. Aufsichtsbehörden und Analysten in USA machen sich zunehmend Sorgen über gewerbliche Immobilienkredite. Vor allem kleinere US-Banken halten derzeit rund 2.300 Milliarden USD an gewerblichen Immobilienkrediten. Das sind fast 80 Prozent der von allen US-Banken gehaltenen gewerblichen Hypotheken. Diese Kredite stehen im Feuer, da viele Wolkenkratzer, Gewerbeparks und Bürogebäude während der Pandemie an Wert verloren haben. Zusätzlich haben sich die steigenden Zinsen verheerend auf die Bewertung der Gewerbeimmobilien ausgewirkt.

Noch in diesem Jahr könnte es zum Showdown kommen. Gewerbliche Darlehen im Wert von rund 270 Milliarden USD laufen in den kommenden Monaten aus. Das ist die höchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde. Viele Kreditnehmer dürften es schwer haben, ihre Kredite zu verlängern oder zurückzuzahlen.
Und in Deutschland? Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hält die Folgen von Pleiten der CS und der US-Banken für die hiesigen Geldhäuser für eng begrenzt. „Die deutschen Banken sind robust, stabil und widerstandsfähig“, beruhigt der BdB. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) versichert, dass das europäische Bankensystem wesentlich resilienter sei als zu Zeiten der Lehman-Krise.

Generell sind steigende Zinsen für die Bankenbranche von Vorteil, da nach der Dürrezeit des Negativzinses wieder akzeptable Zinsmargen vereinnahmt werden können. Aber auch bei deutschen Banken fordern die schwachen Rentenmärkte ihren Tribut. So gab zuletzt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bekannt, dass alle 359 Sparkassen des Landes 2022 in Summe knapp acht Milliarden Euro auf ihren Anleihen-Bestand abschreiben mussten. Allerdings hätten die Sparkassen genug Substanz, um das zu bewältigen, sagte DSGV-Präsident Helmut Schleweis. Doch wehe, wenn viele Kunden ihre Einlagen gleichzeitig zurückhaben wollen. Dann nimmt der Stress zu.

Aktien: Sehr launisch

Wie erwartet setzen sich die Schwankungen des Jahres 2022 an den Aktienmärkten fort. Die Banken-Pleiten in USA und die Not-Übernahme der Credit Suisse verunsicherten die Marktteilnehmer. Viele Anleger befürchteten ähnliche Auswirkungen wie während der Finanzkrise 2008, als die Lehman-Pleite das Finanzsystem an den Rand eines Kollapses brachte.

So zeigen sich die Aktienmärkte 2023 bisher von ihrer launischen Seite. Im ersten Quartal überraschten die nach dem eskalierenden Ukraine-Krieg 2022 sehr stark gedrückten Märkte in Europa mit einem überdurchschnittlichen Anstieg. Der EuroStoxx 50 konnte um 13,7 Prozent, der DAX um 12,2 Prozent zulegen. Die im Vergleich zu US-Aktien günstige Bewertung und ein (bisher) nicht eingetretener Konjunktureinbruch stabilisierten die europäischen Aktienmärkte zusätzlich. Da taten sich andere Aktienmärkte, etwa in USA, der Schweiz und in den Emerging Markets wesentlich schwerer.
Die anstehende Dividendensaison 2023 verspricht neue Rekorde – weltweit wie auch am deutschen Aktienmarkt. Allein die DAX-Titel schütten in diesem Jahr Rekorddividenden in Höhe von knapp 55 Milliarden Euro aus. Diese Ausschüttungen werden oft unterschätzt. Doch sie sind ein wichtiger Performancetreiber für eine Aktieninvestition. 5 Prozent Dividendenrendite sind derzeit keine Ausnahme.

Ausblick: Die derzeitigen vertrauensbildenden Maßnahmen werden auf Dauer zu einer Beruhigung in der Finanzbranche führen. Jedoch können weitere Schwierigkeiten kleinerer US-Banken erneut zu nervösen Schwankungen an den Kapitalmärkten führen. Damit dürften sich vereinzelt attraktive Einstiegszeitpunkte für solide Qualitätsaktien ergeben.

Renten: Weitere Zinserhöhungen – sichere Häfen gefragt

Nur langsam zurückgehende Inflationsraten und eine – trotz mehrerer Zinserhöhungen der Notenbanken – global sehr stabile Wirtschaft mit nahezu Vollbeschäftigung ließen in den ersten beiden Monaten die Zinsen für Anleihen weiter ansteigen. Vor allem kurzlaufende USD-Anleihen rentierten zeitweise bei über 5,5 Prozent.

Durch die Bankenkrise in USA und die Fast-Pleite der Credit Suisse drehte sich die Einschätzung der Investoren allerdings sehr schnell. Sichere Häfen waren auf einmal wieder gefragt. Vor allem bei sicheren Staatsanleihen fielen die Renditen. Die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen ging Anfang März von 2,79 Prozent bis auf 2,02 Prozent zurück.

Ausblick: Anleihen sind für Anleger nach dem Zinsanstieg wieder wesentlich attraktiver geworden. Da vor allem in Europa die EZB die Zinsen noch weiter anheben wird, sollte man als ausgewogener Anleger auf eine solide Bonität der Unternehmen achten und auf Anleihen mit kurzen bis mittelfristigen Rest-Laufzeiten setzen.

Rohstoffe: Gold als Stabilisator

Nach den fulminanten Preissteigerungen des Jahres 2022 gaben in den ersten Monaten dieses Jahres fast alle Rohstoffpreise unter Schwankungen stärker nach. Der zuvor explodierende Gaspreis entspannte sich zusehends. Industriemetalle wurden wegen der befürchteten Rezession billiger. Einzig der Goldpreis konnte seinen Ruf als Depotstabilisator unter Beweis stellen. Im Zuge der Bankenpleiten in USA präferierten viele Investoren das zinslose Edelmetall und trieben den Preis zwischenzeitlich auf über 2.000 USD je Unze. Der Goldpreis liegt jetzt in der Nähe seiner bisherigen Höchststände aus den Jahren 2020 und 2022.

Ausblick: Für ein ausgewogenes Portfolio empfiehlt sich bei den derzeitigen Rahmenbedingungen trotz großer Schwankungen unverändert ein Goldanteil als Stabilisator. Goldminen-Aktien und ETFs sehen wir als eine sinnvolle Ergänzung an.

Fazit:

Auch in diesem Jahr drohen größere Schwankungen am Kapitalmarkt. Politische und wirtschaftliche Unwägbarkeiten machen Anlegern das Leben schwer. Auch die Inflation entpuppt sich als wesentlich hartnäckiger als von vielen Analysten prognostiziert. Anleger sollten bei der Auswahl ihrer Einzelinvestments auf beste Qualität und ausgeprägte Preissetzungsmacht der Unternehmen achten. Das gilt sowohl für Aktien als auch für Anleihen. Dann sind die anstehenden Herausforderungen gut zu bewältigen.